Griechenland ist bekannt für seine Mythen und Sagen (Abgrenzung Märchen/Sage), für seine Märchen allerdings nicht. Das mag unter anderem mit der Entwicklung der Sprache zusammenhängen. Die griechischen Sagen wurden in Altgriechisch festgehalten und weit verbreitet, bekanntestes Beispiel ist wohl die "Ilias" von Homer, die von Odysseus und seiner zehnjährigen Irrfahrt nach dem troyanischen Krieg erzählt.
Altgriechisch wurde als Schriftsprache seit 800 vor Christus und in der griechischen Literatur noch bis 600 nach Christus verwendet. Die Sprache veränderte sich jedoch, und die Sprachstufe vom 7. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts wird Mittelgriechisch genannt. Der Beginn der Epoche des Neugriechisch wurde auf 1453 datiert, dem Jahr des Falls Konstantinopels. In dieser Zeit, in der die Griechische Sprache sich veränderte, veränderten sich auch die Geschichten, die man sich erzählte.
Die Volksmärchen sind in neugriechischer Sprache festgehalten und handeln von Drachen, Seefahrt und Hirtenjungen. Sie haben eine lange Geschichte und sind geprägt durch Mythen und Sagen der Antike sowie den kulturellen Austausch mit den anderen Ländern. (Hinter diesem friedlichen Begriff verbergen sich u.a. Kriege und Sklaverei.) Gesammelt wurden die griechischen Märchen erstmals durch Paul Kretschmer (1866-1956), einen deutschen Linguisten, der anhand der Volksmärchen die Entwicklung neugriechischer Dialekte auf den griechischen Inseln Korfu und Lesbos erfroschte. Seine Sammlung griechischer Märchen erschien 1917 (und damit relativ spät) in der Reihe "Märchen der Weltliteratur" und wurde herausgegeben von Friedrich von der Leyen. Das Märchen hat allerdings in Griechenland deutlich länger als in Mitteleuropa seine vorwiegend mündliche Erzähltradition beibehalten.