Sonntag, 10. April 2011

Rotkäppchen, Märchen, Fabeln und die Aufklärung

-cp- Der aufklärerische Philosoph Christian Wolff (1679-1754) war nicht unbedingt der größte aller Märchenfreunde. Als Gattung zieht er dem Märchen die Fabel deutlich vor. Er schreibt: "So hat man den Kindern bei sich zeigendem Gebrauche der Vernunft durch Exempel und Fabeln die Tugenden und Laster vorzustellen, damit sie beide nicht allein kennenlernen, sondern auch einen Trieb zu jenen und einen Abscheu vor diesen bekommen. Und mit diesen Erzählungen würde man bei ihnen ein Mehreres fruchten als mit den abgeschmackten Märlein die gewöhnlicher Maßen von alten Weibern und ihresgleichen den Kindern erzählet werden, dadurch sie an allerhand Vorurteil und Aberglauben verleitet, auch öfters zu vielen bösen Neigungen gleichsam zugestimmet werden."

Das Märchen verleitet also aus aufklärerischer Sicht zu Vorurteilen und Aberglauben. Hierzu sollte man festhalten, dass dieses Zitat deutlich vor der ersten Märchensammlung der Brüder Grimm aus dem Jahr 1812 veröffentlicht wurde, also auch deutlich vor der Zeit der Märchenbuchverbreitung. Die Kritik bezieht sich also nicht auf das Märchen, wie wir es heute kennen, sondern auf das mündlich erzählte, das durchaus als beängstigendes Mahnmärchen daherkommen konnte.

Anhaltspunkte für eine solche Märchentradition findet man noch in "Rotkäppchen": Die moralische Auflösung des Märchens jedenfalls ist recht fragwürdig. Da sagt Rotkäppchen in einem Selbstgespräch: "Du willst dein Lebtag nicht wieder allein vom Wege ab in den Wald laufen, wenn dir's die Mutter verboten hat." Dabei muss man doch festhalten, dass ihr jenseits des Weges nichts passiert ist. Auf dem befohlenen Weg jedoch gab es gleich zwei Übergriffe: Sie wurde vom Wolf angesprochen. Und im Haus der Großmutter, das sie aufsuchen sollte, wurde sie sogar vom Wolf gefressen. Der Knackpunkt, egal in welche Richtung man das Märchen deutet, ist vor der pädagogische Vorschlaghammer vom Gehorsam den Eltern gegenüber. Das Märchen (in einer solchen Form) will nicht zum Nachdenken anregen, sondern dem zuhörenden Kind Antworten eintrichtern. Eine Entwicklung von Vernunft im Sinne der Aufklärung ist so sicherlich nicht zu erreichen. Wobei sich die Aufklärer in ihrer Kritik vor allem auf das damals sehr verbreitete Ammenmärchen bezogen. Heute sind Volks-, Kunst- und Moderne Märchen über diesen Zweifel weitestgehend erhaben.

Schön ist jedoch, dass jemanden gibt, der das Märchen im Allgemeinen und "Rotkäppchen" im Besonderen mit den aufklärerischen Idealen versöhnt, auch wenn Christian Wolff dies leider nicht mehr mitbekommen hat. Peter Rühmkorf (1929-2008) veröffentlichte 1983 sein Buch "Der Hüter des Misthaufens - aufgeklärte Märchen", das unter anderem "Rotkäppchen und der Wolfspelz" enthält.

Anmerkung am Rande: Dass der böse Wolf sinnbildlich Christian Wolff als Märchenkritiker darstellen sollte, darf bezweifelt werden.

Mittwoch, 6. April 2011

Minden und Wikis Wertschätzung

-cp- Ich wohne jetzt seit zwei Jahren in Minden, Ostwestfalen, und habe hier manches erlebt, das ich zuvor in dieser Form nicht erlebt habe. Heute finde ich erwähnenswert, dass Wikipedia in diesen zwei Jahren nun schon zum zweiten Mal einen "Artikel des Tages" ausgewählt hat, der sich auf Minden bezieht:
Hierzu habe ich zwei Vermutungen: 1. Minden könnte bedeutsamer sein, als ich es bislang angenommen habe. 2. Hier ist so wenig los, dass die Mindener in Ermangelung an Alternativen ihre Zeit damit verbringen, Minden-spezifische Wikipedia-Artikel zu pimpen.

Mein Vorschlag für den nächsten Minden-Artikel des Tages wäre übrigens der über den Weserauentunnel. Der hat's zwar im Moment qualitativ noch nicht verdient, aber es muss ja auch nicht gleich morgen sein.

Dienstag, 5. April 2011

Die Wertigkeit des CD-Erwerbs gegenüber dem Download ...

... auf den Punkt gebracht von Bob Geldof:

"Wenn Menschen den Aufwand betreiben, aufzustehen und in den Plattenladen zu gehen, hat das eine ganz andere Wertigkeit, als mal eben vor dem Rechner etwas runterzuladen." [Quelle]

David Hasselhoffs neue CD: Der Gipfel der Beliebigkeit

-sv- Auch wenn ich der festen Überzeugung bin, dass David Hasselhoff die Berliner Mauer zum Einsturz gebracht und so das Ende des kalten Krieges bewirkt hat, ich ihn also für einen großen Mann der deutschen und internationalen Geschichte halte. Und auch wenn er mit Baywatch eine der erfolgreichsten TV-Serien aller Zeiten kreiert hat. Musikalisch ist er - von o.g. Ausnahme-Performance an der Berlin Wall abgesehen - ein Totalausfall, auch wenn seine Fans, die er wohl vor allem in Deutschland hat, dies anders sehen werden. Den Gipfel der Beliebigkeit und des Ausverkaufs schafft er nun mit seinem neuen Album, dass A Real Good Feeling heißt und ein ebensolches beim Hörer wohl erzeugen soll. Die Songs scheinen allerdings so belanglos zu sein, dass er zeitgleich zwei Versionen veröffentlicht: die normale Ausführung und die - Achtung! - "Party-Version"! Beim kurzen Reinhören wird schnell klar, dass man a) eine Schlager-CD kauft, b) der Produzent bestraft werden sollte für die CD und c) die "Party" - wie einfallsreich - mit dem Untermischen von Ballermann-Beats und Zwischenrufen ("Hey! Hey!") entstehen soll. Autsch! Das klappt vielleicht bei Hörern, die inzwischen so alt sind wie Hasselhoff selbst, ansonsten ist es aber Folter und irgendwie sehr, sehr peinlich. Fazit: Setzen! Sechs!