Sonntag, 17. Juli 2011

London im 19. Jahrhundert

-cp- Im 19. Jahrhundert war London die wohl bedeutenste Stadt der Welt. Die Einwohnerzahl hat sich im Laufe des Jahrhunderts beinahe versiebenfacht, und die Entwicklung und der Ausbau des Eisenbahnnetzes sowie der Kanalisation haben Maßstäbe für die Infrastruktur von Metropolen gesetzt. (Geschichte Londons) Mit Jack the Ripper trieb auch der berühmteste Serienmörder der Geschichte im London des (ausgehenden) 19. Jahrhunderts sein Unwesen.

Kein Wunder, dass auch die Literatur des 19. Jahrhunderts London zu einem häufigen Handlungsort gewählt hat. In Reise um die Erde in 80 Tagen (Jules Verne) ist London als Nabel der Welt Start- und Zielpunkt der legendären Reise. Hier spielen vor allem Gentlemen eines elitären Clubs als Vertreter der Londoner Oberschicht eine Rolle. Anders ist es in den Werken Charles Dickens', der sich in Büchern wie Oliver Twist, aber auch A Christmas Carol der anderen Seite Londons annimmt. Seine Sozialdramen erzählen von Armut und Hunger in der Millionenstadt.

Neben Jack, the Ripper, dem echten "Monster", hat die Literatur auch fiktive Monster geschaffen, die in den Straßen Londons ihr Unwesen trieben. Mittels einer besonderen Droge gelingt es Dr. Jekyll in Dr. Jekyll und Mr. Hyde (Robert Louis Stevenson) die schlechten Gefühle und Gedanken zeiteweise als bösen Teil seiner Persönlichkeit abzuspalten. Da nun die guten Anteile fehlen, wird Dr. Jekyll zu Mr. Hyde, einer furchterregenden, brutalen Personen mit sadistischen und sogar mörderischen Zügen. Auch Graf Dracula (Bram Stoker), der wohl bekannteste aller Vampire, reist aus seiner transsilvanischen Heimat nach London. Oscar Wildes einziger Roman Das Bildnis des Dorian Gray spielt ebenfalls in London, und auch die Figur des Dorian Gray ist nicht ohne monströse Züge.

Bei soviel abscheulichen Gestalten sollte natürlich auch noch eine Figur erwähnt werden, die zwar als Held nicht immer strahlend ist (Stichwort: Kokainkonsum), aber moralisch zumindest auf der richtigen Seite steht und mit unvergleichlichen Fähigkeiten im logischen Denken jedem noch so raffinierten Bösewicht das Handwerk legt. Die Rede ist natürlich von Sherlock Holmes (Arthur Conan Doyle).

Interessant ist, auch wenn die märchenhafte Geschichte zwar im 19. Jahrhundert geschrieben wurde, aber im 16. Jahrhundert spielt, auch das Buch Der Prinz und der Bettelknabe (Mark Twain).

Freitag, 8. Juli 2011

Kafkas Eltern führten ein Galanteriewarengeschäft

-sv- ... lese ich soeben in der Legal Tribune in einem Beitrag über Franz Kafka. Doch was sind "Galanteriewaren"??? Ein Blick in Wiki hilft:

Galanteriewaren, von französisch galanterie, „Liebenswürdigkeit“, ist eine veraltete Bezeichnung für modische Accessoires. Zu den Galanteriewaren zählen Modeschmuck (Bijouterie) und kleinere modische Gebrauchsgegenstände wie Parfümfläschchen (Ölflakons) − sie wurden früher manchmal an einem Kettchen getragen −, Puderdosen, auffällige Knöpfe, Armbänder, Schnallen, Tücher, Schals, Bänder, Fächer usw.

Aha! Mal wieder sehr schade, dass ein Begriff nicht mehr genutzt wird!

Samstag, 2. Juli 2011

Ausbildungsberufe 2010:
Das Aufeinandertreffen von Tradition und Moderne

-sv- In 329 Ausbildungsberufen [Quelle] haben im Spätsommer 2010 insgesamt 560.000 Auszubildende eine Ausbildung begonnen. [Quelle] Platz 1: Kaufmann/-frau im Einzelhandel mit fast 30.000 Auszubildenden. Es folgen weitere übliche Verdächtige: Verkäufer/-in, Bürokaufmann/-frau, Kfz-Mechatroniker/in, Industriekaufmann/-frau usw. usw.
Interessant wird es, wenn man die Tabelle von hinten nach vorn liest. Denn hier finden sich Berufe wie Stricker*, Spielzeughersteller, Glasbläser, Bogenmacher, Silberschmied und Leuchtröhrenglasbläser - alle jeweils mit einem Auszubildenden belegt. An welcher Stelle der Bogenmacher wohl vor 100 Jahren lag?

Anhand der Betrachtung der Statistik der Ausbildungsberufe, lässt sich das Aufeinandertreffen von Tradition und Moderne auf jeden Fall schön betrachten. Wie auch im Gemälde „Gnom, Eisenbahn betrachtend“ von Carl Spitzweg.

*der Einfachheit halber ab hier nur noch die männliche Variante.

Aberglaube

-cp- Es gibt unzählige Begriffsschemata, nach denen sich Literatur in unterschiedliche Kategorien aufteilen lässt. Eines dieser Schemata trennt belletristische Texte in zwei Kategorien: in realistische und fantastische Literatur. Definiert man diese beiden Kategorien grob, dann würde realistische Literatur die Geschichten umfassen, die man als theoretisch in der Wirklichkeit denkbar einstufen würde, während die fantastische Literatur als Überbegriff für die Geschichten steht, die sich mit übernatürlichen Elementen befassen. Arthur Conan Doyles Sherlock Holmes ist ein Beispiel für eine Figur, deren Geschichten sich im Grenzland zwischen den beiden Kategorien befindet. In der Tendenz würde man sie allerdings eher zur realistischen Literatur zählen, denn trotz der zum Teil hanebüchenen Handlungsabläufe wären sie rein theoretisch doch denkbar, da letztlich alle übernatürlich erscheinenden Phänomene durch Holmes' induktives Denken auf Natürliches und Erklärbares zurückgeführt wird.

Ein wichtiges Merkmal der Geschichten ist hierbei der Aberglaube der Figuren, denn ohne ihn würden übernatürlich erscheinende Ereignisse von vornherein nicht ernst genommen, und es gäbe keine Geschichten. Holmes' Waffen gegen den Abglauben sind Vernunft und Zweifel.

Der Aberglaube der Figuren ist auch in anderen Geschichten des fortgeschrittenen 19. Jahrhunderts ein wichtiges Merkmal, weil er bewirken kann, dass realistische Literatur eine mitunter gruselige Note bekommt.

In Die Abenteuer des Tom Sawyer (Mark Twain, 1876) möchte Toms Freund Huckleberry Finn eine Warze loswerden, und zwar mithilfe einer toten Katze: "Weißt du, du nimmst die Katze und gehst auf den Kirchhof gegen Mitternacht, dahin, wo ein Gottloser begraben ist. Wenn's dann Mitternacht ist, kommt ein Teufel - oder auch ein zweiter oder dritter -, du kannst sie aber nicht sehen, sondern hörst nur so was wie den Wind, oder hörst sie sprechen. Und wenn sie dann den Kerl fortschleppen, wirfst du die Katze hinterher und rufst 'Teufel hinterm Leichnam her, Katze hinterm Teufel her, Warze hinter der Katze her - Seh euch alle drei nicht mehr!' Das heilt jede Warze." (Ausgabe des Lingen-Verlags, Köln, S. 64)

Auch in Der Schimmelreiter (Theodor Storm, 1888) soll die Natur durch abergläubische Handlungen bezwungen werden. Protagonist Hauke Haien ist Deichgraf und will einen neuen, sicheren Deich bauen. Die Arbeiter meinen nun, ohne Opfer könne der Deich nicht halten. "Soll Euer Deich sich halten, so muss was Lebiges hinein!" - "Was Lebiges? Aus welchem Katechismus hast du das gelernt?" - "Aus keinem, Herr!", entgegnete der Kerl, und aus seiner Kehle stieß ein reches Lachen; "das haben unsere Großväter schon gewusst, die sich mit Euch im Christentum wohl messen durften! Ein Kind ist besser noch; wenn das nicht da ist, tut's wohl auch ein Hund!" (Ausgabe des Anaconda Verlags, Köln, 2006, S.105f.)