Freitag, 25. Januar 2008

Jugend, Arbeit und Perspektiven

-cp- Ich arbeite ja unter anderem als Erziehungsbeistand und Betreuungshelfer für ein nahe gelegenes Jugendamt. Schwerpunkt meiner Beschäftigung ist die Arbeit mit 18-20-jährigen, die keine Familie haben oder den Kontakt mit ihrer Familie abgebrochen haben. Diese Jugendlichen wenden sich entweder ans Jugendamt und bitten um Hilfe, oder sie haben Strafverfahren am Hals, und müssen sich helfen lassen (Diversionsverfahren). In der Regel stehen die Jugendlichen, wenn ich sie übernehme, mittellos auf der Straße: kein Geld, keine Wohnung, kein Job. Ich begleite sie dann bei Behördengängen und Wohnungssuche. Und wenn sie eine Wohnung haben, begleite ich sie bei der Jobsuche und bringe sie in der Regel in Qualifizierungsmaßnahmen und angeleiteten Praktika unter.

Immer wieder scheitern diese Jugendlichen direkt am Anfang ihrer Praktika. Und zwar aus einem sehr einfachen Grund. Vor dem Praktikum befinden sie sich in folgender Situation: sie haben eine kleine Wohnung, deren Miete vom Sozialamt übernommen wird. Außerdem erhalten sie das Arbeitslosengeld II, sprich 345 Euro pro Monat. Allerdings geht das Sozialamt davon aus, dass die Jugendlichen einen Anspruch auf Kindergeld haben und ziehen daher 154 Euro ab. Es bleiben 191 Euro, die ausgezahlt werden. Davon zahlen die Jugendlichen ihren Strom, Telefonkosten, Klamotten, Wohnungseinrichtung, Putz- und Hygieneartikel und Lebensmittel. Meistens sind die 191 Euro spätestens am 16. oder 17. des Monats weg. Die Bewilligung des Kindergeldes ist mit Haken und Ösen und einem elenden Papierkrieg verbunden und lässt meist zwei bis drei Monate auf sich warten. Das sind zwei bis drei Monate, in denen die Jugendlichen permanent Geldsorgen haben und Schulden aufbauen. Die können sie dann zwar zurückzahlen, wenn das Kindergeld rückwirkend bewilligt wird, aber leicht wird es ihnen so ja nun nicht gemacht.

Sobald sie ein Praktikum machen, haben sie keinen Anspruch mehr auf Arbeitslosengeld II. Sie müssen dann beim Arbeitsamt BAB beantragen. Das liegt bei 431 Euro monatlich. Davon müssen sie aber auch die Miete selbst bezahlen. Und jetzt kommt der Haken: Während das Arbeitslosengeld II zum Monatsanfang gezahlt wird, kommt das BAB rückwirkend zum Monatsende. Wenn bis dahin die Kindergeldkasse den Antrag nicht bewilligt hat, sieht es finster aus. Das bedeutet, die Jugendlichen haben z.B. am 1. Januar 191 Euro erhalten und bekommen ihr nächstes Geld erst am 28. Februar.

Das heißt, sie tun, was Gesellschaft fordert und begeben sich in Arbeit. Und sie erleben als persönliche Konsequenz, dass sie sich direkt zum Anfang des Praktikums nichts zu essen kaufen können, keine Miete zahlen können und ein permanentes Gefühl der Verzweifelung in sich tragen. Und: Es gibt nichts, das diese Situation ändern könnte. Meistens haben die Jugendlichen dann Frust und schwänzen. Daraufhin verlieren sie die Praktikumsstelle, und der ganze Ärger geht von vorne los.