Dienstag, 26. August 2008

Däumling

Auch der Däumling, ein Märchenheld, der seinen Namen hat, weil er nur so groß ist wie ein Daumen, ist ein Volksmärchen-Motiv, dem sich verschiedene Märchendichter und -sammler angenommen haben. In Perraults Märchensammlung erscheint 1697 ein Däumling in dem Märchen "Le petit poucet" ("Der kleine Däumling"). Die Geschichte ist quasi eine Mischung aus "Hänsel und Gretel" und "Jack und die Bohnenranke". (Ausgesetzte Kinder landen im Haus eines Menschenfressers, dessen Frau den Kindern wohlgesonnen ist.) Ludwig Tiek veröffentlichte 1811 ein Theaterstück "Leben und Thaten des kleinen Thomas, genannt Däumchen". Die Brüder Grimm haben zwei Däumlingsgeschichten in ihre Sammlung aufgenommen: "Des Schneiders Däumling Wanderschaft" (1812) und "Daumesdick" (1819). Ludwig Bechstein hat in seinem Märchenbuch eine nur wenig veränderte deutsche Version des Perrault-Märchens untergebracht (1847). All diese Däumlings-Märchen haben gemein, dass sie recht brutal sind: Da schneidet der Menschenfresser seinen Töchtern die Kehle durch, weil er sie für den Däumling und seine Geschwister hält. In anderen Versionen wird der Däumling von einer Kuh und einem Wolf gefressen. Doch letztlich gelingt es ihm immer, sich (bzw. sich und seine Geschwister) durch sein Geschick und seine Klugheit zu retten und die übermächtigen Bösewichte zu besiegen.

Kunstmärchendichter Hans Christian Andersen hat das Motiv auf seine Weise bearbeitet und aus dem männlichen Däumling einen weiblichen gemacht: "Däumelinchen" (1835) Typisch Andersen bekommt es Däumelinchen mit diversen Kleintieren zu tun, die sie alle heiraten wollen. Doch Däumelinchen entkommt ihnen und lernt am Ende einen kleinen Blumenprinzen kennen, der natürlich besser zu ihr passt als Kröte, Maikäfer und Maulwurf.