Dienstag, 24. August 2010

Bücherschätze auf und unter der Hand

-cp- "Es gibt mehr Schätze in Büchern als Piratenbeute auf der Schatzinsel. Und das Beste ist, du kannst diesen Reichtum jeden Tag deines Lebens genießen." (Walt Disney)

Interessant, dass dieses Zitat gerade von einem Filmemacher stammt. Interessant auch, dass Thalia dieses Zitat nutzt, um für Zukunftleser zu werben. Was dahinter steckt, ist keine Überraschung: ein eReader. Schließlich braucht jede Buchhandlung einen eigenen Kindle, iPad, usw.

Die Vorteile liegen auf der Hand:
1. Man muss in Zukunft nicht mehr so viel Geld für Bücherregale ausgeben.
2. Man muss beim nächsten Umzug nicht so viele Bücherkisten schleppen.
3. eBooks sind gefeit vorm Zahn der Zeit, der Staub ansetzt und die Seiten vergilbt.
4. Man kann jederzeit seine gesammte Bibliothek mit sich herumtragen.

Die Nachteile liegen unter der Hand:
Bücher werden entwertet. Nicht inhaltlich, denn der Inhalt bleibt derselbe. Auch nicht zwangsläufig beim Lesen selbst (also dem Aufnehmen des Inhalts), denn die Menschen sind zwar unterschiedlich in ihren Bedürfnissen, aber ich denke, dass man sich an das digitale Lesen gewöhnen kann, wenn man denn möchte. ABER: Den Büchern wird ihre Geschichte genommen. Und zwar nicht allgemein, sondern in Bezug auf das einzelne Exemplar. Über Knicke, Eselsohren, usw. erzählt jedes Buch die Geschichte, wie oft es gelesen wurde, und was dem Leser wichtig war. Sätze wie: "Ein schönes Buch, das habe ich mal von XY zum Geburtstag bekommen" oder "Das habe ich beim Stöbern in der Buchhandlung entdeckt, damals im Urlaub" wird man seltener hören, da ja die Bücher der Zukunft alle denselben Hintergrund haben sollen: hochgeladen und in einem digitalen Verzeichnis abgespeichert werden.

Die Entwertung findet besonders deutlich in der Welt der Kinder statt, denn wenn man ihnen für ihren iPad eine Urlaubs- oder sonstige Lektüre spendiert, dann bekommen sie gar nicht mehr mit, dass dafür auch Geld bezahlt wird. Einen Einblick in Papis nächste Kreditkartenabrechnung werden sie kaum nehmen. Und sie müssen auch keine Tüte mehr nach Hause tragen und die Aufregung aushalten, bevor sie endlich mit dem Lesen anfangen können. Eine Aufregung, die auch so manchem Erwachsenen fehlen wird. Und: Wie soll eigentlich, praktisch gesehen, ein stolzer Vater einen Schatz seiner Jugend (das Buch "Der Schatz im Silbersee" zum Beispiel) an seinen lesebegeisterten Sohn weitergeben. Es ist nicht nur ein Winnetou-Abenteuer, sondern auch ein Stück Lebensgeschichte des Vaters, der das Buch über Jahre aufbewahrt hat.

Es gibt einfach viele Sinneseindrücke, die beim digitalen Lesen flöten gehen. "In dem Duft der Druckerschwärze wohnt das grenzenloseste aller Abenteuer." (Astrid Lindgren) Das Zitat mag bereits etwas zu oft bemüht worden sein, und es ist auch nicht frei von Kitsch, aber die dahinterstehende Weisheit lässt sich nicht wegdiskutieren. Literatur ist ein gewichtiges Kulturgut, und ihre Schätze darf man ruhig auch beim Anfassen spüren. (vgl. Quint Buchholz)