Sonntag, 20. Februar 2011

Doppelgänger und Rollentausch: Zwei Kinderhörspiele

-cp- Was wäre, wenn es noch jemanden gäbe, der einem zum Verwechseln ähnlich sieht? Diese Frage haben sich wohl viele Kinder schon einmal gestellt. Doch nicht nur Kinder, sondern auch berühmte Schriftsteller sind ihr nachgegangen. Die bekanntesten Werke, die dabei herausgekommen sind, sind wohl "Der Prinz und der Bettelknabe" von Mark Twain und "Das doppelte Lottchen" von Erich Kästner. Beide Geschichten sind auch in leicht gekürzten Hörspiel-Fassungen erhältlich.

Im Jahr 1881 veröffentlichte Mark Twain seine märchenhafte Erzählung "Der Prinz und der Bettelknabe", die in London spielt und nicht nur deswegen zum Teil an Charles Dickens' Romane erinnert. Das Umfeld des Betteljungen hat Züge des Dickensschen Sozialdramas, wie man sie aus "Oliver Twist" kennt. Doch insgesamt ist Dickens' Geschichte härter und Twains versöhnlicher. Inhalt: Ein Betteljunge trifft den jungen Prinzen, und weil der ihm zum Verwechseln ähnlich sieht, tauschen die beiden einfach mal die Rollen. Doch ehe sie dies rückgängig machen können, sind sie gezwungen, das Leben des jeweils anderen zu führen, ohne dass ihnen jemand ihre Geschichte vom Rollentausch abnimmt. ... Twain, der vor allem durch seine Romane "Die Abenteuer des Tom Sawyer" und "Die Abenteuer des Huckleberry Finn" berühmt geworden ist, bewies in dieser Geschichte, dass er auch ein Händchen für märchenhafte Stoffe hatte. Es gibt sogar eine Zeichentrickfilm-Umsetzung aus dem Hause Walt Disney. Die deutsche Fassung des Buches erschien erst 1956, und 1968 produzierte der NDR eine Hörspielfassung (u.a. mit Hans Paetsch als Erzähler). Auch wenn Musik und Geräusche sehr sparsam daherkommen, ist das Hörspiel sehr gelungen und mit einer Länge von einer Stunde für Kinder ab 6 Jahren empfehlenswert. Die CD ist bei Der Hörverlag erschienen.

Erich Kästners "Das doppelte Lottchen" erschien 1949. Hier geht es um die Zwillingsschwestern Lotte und Luise, die sich nur durch einen Zufall im Sommerferienlager kennenlernen. Die Eltern hatten sich kurz nach ihrer Geburt getrennt, jeweils eine der Schwestern zu sich genommen und den Kontakt eingestellt. Die beiden Mädchen nutzen die Gunst der Stunde und versuchen, indem sie die Rollen tauschen, zunächst das Leben der jeweils anderen Schwester kennenzulernen und im nächsten Schritt die Eltern wieder zusammenzubringen. "Das doppelte Lottchen" steht in einer Reihe mit Kästners anderen Kinderbuchklassikern ("Emil und die Detektive", "Pünktchen und Anton", "Das fliegende Klassenzimmer", ...) und wurde bereits einige Male verfilmt. Die bei der Deutschen Grammophon und Oetinger Audio erschienene Hörspiel-Fassung wurde 1974 von Metronome Records produziert. Das 46-minütige Hörspiel hat einen warmen, stets zuversichtlichen Erzählton und wird von mit stimmungsvoller Klaviermusik untermalt. Die Sprecher sind überzeugend, und so ist auch dieses Hörspiel sehr empfehlenswert.

Beide Hörspiele sind für Kinder ab dem Grundschulalter geeignet, wobei "Der Prinz und der Bettelknabe" wegen der Identifikationsfiguren in der Tendenz eher Jungen und "Das doppelte Lottchen" eher Mädchen ansprechen wird. Natürlich sind beide Hörspiele für Jungen und Mädchen geeignet. "Der Prinz und der Bettelknabe" ist etwas abenteuerlicher und spannender, "Das doppelte Lottchen" etwas realistischer. Spannend dürfte es für Kinder sein, beide Hörspiele zu hören und selbst Vergleiche anzustellen.