-cp- Die Geschichte von Before Sunrise (1995) ist ganz einfach: Im Zug lernen sich der junge Amerikaner Jesse (Ethan Hawke) und die die Französin Celine (Julie Delpy) kennen. Sie verstehen sich auf Anhieb sehr gut, und so kann er sie überreden, mit ihm in Wien auszusteigen, um dort die Nacht zu verbringen, bevor er am nächsten Morgen sein Flugzeug zurück in die Staaten nimmt. So laufen sie also an einem lauen Sommerabend durch das abendlich romantische Wien, tauschen sich über verschiedene Lebensfragen aus und erleben eine Nacht, die von widersprüchlichen Gefühlen geprägt ist: Romantisches Verständnis und Zuneigung auf der einen Seite, und die Erkenntnis, dass ihr Treffen auf diese eine Nacht beschränkt bleiben wird, auf der anderen Seite. Immer wieder gibt es zarte Annäherungen, aber dann auch wieder Sicherheitsabstände zwischen ihnen. Es kommt zu seltsamen Begegnungen, z.B. mit einem Straßendichter und einer Wahrsagerin. Aber im Großen und Ganzen erleben wir nur zwei Figuren bei einem schönen Spaziergang durch Wien. Mehr Inhalt braucht der Film aber auch nicht. Die Figuren sind authentisch und liebenswert, und ihre Gesprächsthemen sind hochinteressant. Alles ist von dem Idealismus und der Weltoffenheit der beiden Anfang zwanzig Jährigen geprägt, die ihre Jugend fast hinter sich, das Erwachsenenleben aber auch noch nicht richtig begonnen haben. Träume und Verklärungen gehören genauso zu ihnen wie eine kritische Auseinandersetzung mit der Welt.
Neun Jahre später treffen sich die beiden wieder, in der Fortsetzung Before Sunset (2004). Jesse hat über ihre gemeinsame Nacht in Wien einen Roman geschrieben und stellt diesen in einer Buchhandlung in Paris vor. Celine kommt zu der Veranstaltung, und die beiden entschließen sich spontan, einen Kaffee trinken zu gehen und einen Spaziergang zu machen. Diesmal ist ihre Zeit noch kürzer, sie haben nur ein paar Stunden bis zu seinem Rückflug nach New York. Beide sind erwachsener geworden, haben sich von einigen Idealen verabschiedet. Sie lassen ihre Nacht in Wien Revue passieren, reden über ihre Entwicklungen, ihr Leben. Hier und da blitzt Verbitterung durch, aber auch die Erkenntnis, dass nicht alle früher besser war. „Before Sunset“ ist eine gelungene Fortsetzung, die „Before Sunrise“ tatsächlich weiterführt und vervollständigt. Die Weiterentwicklung der Figuren ist konsequent und sehr gelungen, und der Spaziergang durch Paris steht dem durch Wien in nichts nach.
Die beiden Filme sind ein sehr sehenswertes Double-Feature, das zwangsläufig einlädt, sein eigenes Leben und seine Erfahrungen und Entwicklungen zu reflektieren. Die Darsteller sind großartig, und die Drehorte Wien und Paris sorgen für den romantischen Rahmen.