Donnerstag, 28. August 2008

Moderne Märchenbücher

Wenn man das Problem mit dem Begriff "moderne Märchen" mal außer Acht lässt und einfach mal schaut, welche Märchenbücher es gibt, die nicht gerade von Grimm, Andersen und Co geschrieben wurden, und die vielleicht hier und da etwas frischer anmuten, dann fällt einem erstmal die Dominanz der alten Märchen auf, denn mit dem Suchwort "Märchen" kommt man nicht weit, und aktuelle Märchenbücher heißen zum Teil einfach anders. Hier jedoch eine kleine (interessante) Auswahl:

(1) Janosch erzählt Grimms Märchen für Kinder von heute
Auch wenn der falsch gesetzte Apostroph im Titel wohl ein ziemlich kapitaler Bock ist, muss man sagen, dass dieses Buch zurecht als Standardwerk moderner Märchen gilt. Janosch erzählt 54 der grimmschen Märchen und erneuert dabei nicht nur ihre Sprache, sondern teilweise auch Handlungsverlauf und Moral. Für Märchenfreunde ein Muss. Und typisch Janosch gibt es auch ganz viel Humor, vor allem in den kleinen harmlosen Beobachtungen von scheinbar Nebensächlichem. [Link]

(2) Paul Maar: In einem tiefen, dunklen Wald...
Auch wenn der Titel den Anschein erweckt, dass hier die gruselige Seite der Märchen betont wird, geht das Buch in eine andere Richtung: in die komische. Hier haben innerhalb der Märchen die Märchenfiguren einen sehr eigenen und gar nicht so märchenhaften Kopf. So kann es sein, dass sich das Monster, statt die Prinzessin zu fressen, viel lieber auf die Pralinen stürzt. Nur weil die Märchenfiguren Märchenfiguren sind, lässt Paul Maar sie noch lange nicht dementsprechend handeln. Ungewöhnlich und Lesenswert. [Link]

(3) Christian Peitz: "Der Märchenprinz im Märchenwald hört einen Schuss, der gar nicht knallt."
Wenn man den Titel liest, dann weiß man nicht so recht, was man von diesem Märchenbuch erwarten soll. Ich rate Ihnen: erwarten Sie nichts, lassen Sie sich einfach überraschen! Für mich ist es ein absolut lohnenswerter Märchenband. Zwölf neue Märchen sind hier versammelt, die durch den Verzicht geschilderter Grausamkeiten und dem klaren und schnörkellosen Erzählstil durchaus kindgerecht sind. Aber auch für Erwachsene sind sie eine unterhaltsame und leichte, aber niemals seichte Lektüre. Denn neben der einfachen Erzählstruktur, die die Märchen auszeichnet, gibt es immer wieder überraschende Wendungen, bei denen Unvorhergesehenes passiert, und zwischen den Zeilen findet sich so manche Anspielung, die es zu entdecken gibt. [Link]

(4) Michael Ende: "Die Geschichte von der Schüssel und dem Löffel"
Hierbei handelt es sich um ein einzelnes Märchen. Das aber hat es in sich! Der Anfang dieser Geschichte ist etwas dornröschenhaft. Eine Prinzessin wird geboren und die Fee nicht eingeladen. Im Nachbarkönigreich wird zeitgleich ein Prinz geboren. Die Feier findet wieder ohne die Fee statt. Doch die Fee bei Michael Ende ist sehr viel raffinierter als die Dornröschen-Fee, denn statt eines Todesfluches schenkt sie dem einen Königreich einen Zauberlöffel, der ohne die dazugehörige Schüssel nichts wert ist. Diese Zauberschüssel schenkt sie dem anderen Königreich. So kriegen sich denn die beiden Königshäuser in die Haare, weil beide gerne beide Teile hätten, und die böse Fee hat ihren Spaß. Sprachlich, wie man es von Michael Ende kennt, ist dieses Buch ein Meisterwerk! [Link]

(5) Erich Kästner: "Der gestiefelte Kater"
Das Märchen selbst ist ja sehr berühmt, und viele Autoren haben eigene Versionen veröffentlicht. Die Erich Kästner-Version orientiert sich inhaltlich stark an der von Charles Perrault, jedoch hat Kästner eine sehr klare und augenzwinkernde Sprache gewählt und diese alte Geschichte dadurch gehörig abgestaubt. [Link]

Wer zum Teufel ist Chuck Norris?

-cp- Diese Frage stellt sich mir, wenn ich folgendes Zitat von Muhammad Ali lese: "Ich bin so schnell, dass ich, als ich gestern Nacht im Hotelzimmer den Lichtschalter umlegte, im Bett lag bevor das Licht aus war."

Dienstag, 26. August 2008

Excrutior

-cp- „Auf dem Tisch lagen ein bekritzeltes Stück Papyrus und eine Schreibfeder. Daneben stand ein Becher, lag eine umgestürzte Weinkanne. Und vor dem Tisch auf dem Boden ein dunkelhaariger, dunkelhäutiger Mann, mit einer Tunika aus grobem Stoff bekleidet. Seine Augen blickten in meine Richtung, doch er sah nicht. Das Weiße darin war kaum zu erkennen. Es war rot. Um seinen Kopf herum sah man eine große dunkle Lache. Es war Blut."

Mit diesem Auszug wirbt Cornelius Hartz für sein Buch "EXCRVCIOR", einer fiktiven Kriminalgeschichte, in der es unter anderem um das Leben des Dichters Catull im alten Rom geht. Die Ankündigung auf der Homepage des Autors verspricht Sex and Crime, der etwas holprige Textauszug nicht unbedingt ein Werk, bei dem die sprachliche Gestaltung im Mittelpunkt steht. Der Inhalt jedoch dürfte für Freunde der Antike interessant sein, denn Cornelius Hartz hat sich wissenschaftlich mit der Antike und ihren Dichtern auseinadergesetzt. Zum morgigen Release verlost der Autor auf seiner Homepage zwei Bücher.

Däumling

Auch der Däumling, ein Märchenheld, der seinen Namen hat, weil er nur so groß ist wie ein Daumen, ist ein Volksmärchen-Motiv, dem sich verschiedene Märchendichter und -sammler angenommen haben. In Perraults Märchensammlung erscheint 1697 ein Däumling in dem Märchen "Le petit poucet" ("Der kleine Däumling"). Die Geschichte ist quasi eine Mischung aus "Hänsel und Gretel" und "Jack und die Bohnenranke". (Ausgesetzte Kinder landen im Haus eines Menschenfressers, dessen Frau den Kindern wohlgesonnen ist.) Ludwig Tiek veröffentlichte 1811 ein Theaterstück "Leben und Thaten des kleinen Thomas, genannt Däumchen". Die Brüder Grimm haben zwei Däumlingsgeschichten in ihre Sammlung aufgenommen: "Des Schneiders Däumling Wanderschaft" (1812) und "Daumesdick" (1819). Ludwig Bechstein hat in seinem Märchenbuch eine nur wenig veränderte deutsche Version des Perrault-Märchens untergebracht (1847). All diese Däumlings-Märchen haben gemein, dass sie recht brutal sind: Da schneidet der Menschenfresser seinen Töchtern die Kehle durch, weil er sie für den Däumling und seine Geschwister hält. In anderen Versionen wird der Däumling von einer Kuh und einem Wolf gefressen. Doch letztlich gelingt es ihm immer, sich (bzw. sich und seine Geschwister) durch sein Geschick und seine Klugheit zu retten und die übermächtigen Bösewichte zu besiegen.

Kunstmärchendichter Hans Christian Andersen hat das Motiv auf seine Weise bearbeitet und aus dem männlichen Däumling einen weiblichen gemacht: "Däumelinchen" (1835) Typisch Andersen bekommt es Däumelinchen mit diversen Kleintieren zu tun, die sie alle heiraten wollen. Doch Däumelinchen entkommt ihnen und lernt am Ende einen kleinen Blumenprinzen kennen, der natürlich besser zu ihr passt als Kröte, Maikäfer und Maulwurf.

Seltsame Ortsnamen in Deutschland (5)

-sg- Zum Thema seltsame Ortsnamen haben wir uns bereits in eins, zwei, drei, vier Teilen Gedanken gemacht -so ist wohl auch die Süddeutsche auf das Thema aufmerksam geworden...

Sprachliche Kleinode

-cp- Amazon entwickelt sich stetig weiter und zieht anderen Online-Händlern davon. Zum einen ist bei Amazon die Auswahl größer, weil auch vermeintlich kleinere Produkte gelistet werden, und zum anderen kann sich der Kunde bei Amazon richtig austoben. Schon lange können dort Rezensionen geschrieben und Lieblingslisten angelegt werden. Und seit einiger Zeit kann man nun den Produkten auch Tags (Kategorien) geben. Auch der Erfahrungsaustausch mit anderen Nutzern ist möglich, seit Amazon das Diskussionsforum eingestellt hat. Da kann man über Bücher diskutieren, anderen Kunden Bücher ans Herz legen und so weiter. Man kann sagen: Amazon ist nicht nur ein Online-Kaufhaus, sondern auch eine bunte Spielwiese. Und wie das auf Wiesen so ist, da findet man manchmal ganz wunderbare Blüten, zum Beispiel Stilblüten wie folgende: "suche vergeblich Bücher, mit vampirliebesgeschichten und auch ein bisschen historisches dabei"

TV-Serien

-sg- Als vor einigen Jahren die ersten TV-Serien auf DVD erschienen, dachte ich zuerst: Geldmacherei. Dann kam ich auf den Geschmack und Griff bei meiner Lieblingsserie auch mal zu. Und wie das immer so ist: plötzlich fielen mir noch ganz viele andere Serien ein, die ich auch schon immer mal wieder sehen wollte. Und damit fingen die Probleme an: aufgrund von Rechtsstreitigkeiten kamen/kommen manche TV-Serien einfach nicht auf den Markt (z.B. Alf). Nun aber ist Licht am Horizont zu sehen, denn "Die Straßen von San Francisco" sind erhältlich! Zwar nur Teil eins der ersten Staffel, aber mit ein bisschen Geduld...

Montag, 25. August 2008

Moderne Märchen


Im Zusammenhang mit Märchen gibt es kaum etwas, das so unklar ist wie die Definition des "Modernen Märchens". Hier verschwimmen subjektive Vorstellungen mit objetiven Merkmalen und wissenschaftlicher Begrifflichkeit. Hier nun verschiedene Möglichkeiten, was ein modernes Märchen sein könnte:

Großstadtlegenden
Bei Wikipedia [neues Fenster] findet man eine Defintion, die in Richtung "Großstadtlegenden" geht. Unglaubliche Geschichten, die man sich erzählt, z.B. von jemandem, der im Restaurant eine Suppe essen wollte, in der dann eine tote Maus schwamm. Es gibt zwar Bücher, in denen solche Geschichten zusammengefasst sind, aber mit eigentlicher Märchenliteratur hat das im Grunde wenig zu tun.

Romantische Kinofilme
Oft werden auch Kinofilme als moderne Märchen bezeichnet, beispielsweise Filme wie "Pretty Woman". In diesen Filmen muss nicht zwangsläufig etwas Übernatürliches geschehen. Es sind viel mehr Filme, die ihre romantischen Bestandteile etwas überhöhen. (Menschen, die das nicht so mögen, bezeichnen solche Filme nicht als "moderne Märchen", sondern als "Kitsch". Die Wahrheit liegt im Auge des Betrachters.)

Moderne Märchen
Wenn man es genau nimmt, müssten moderne Märchen Geschichten sein, die zum einen im Hier und Jetzt spielen und zum anderen märchenhafte Züge enthalten. Zwei Literaturtipps in dieser Richtung: (1) "Idioten: Fünf Märchen" von Jakob Arjouni. Diese Märchen erzählen von gescheiterten Existenzen der Gegenwart, die jeweils Besuch von einer guten Fee bekommen und einen Wunsch frei haben, um ihr Leben zu verbessern. Diese Märchen lesen sich sehr nett, allerdings eher wie Kurzgeschichten, in denen dann eine Fee auftaucht. Nur für erwachsene Leser. (2) Ebenfalls nur für erwachsene Leser sind die aufgeklärten Märchen von Peter Rühmkorf, die sich in dem Buch Der Hüter des Misthaufens versammeln. Diese sind jedoch deutlich märchenhafter zu lesen. Ihre modernen Anteile bestehen in einer modernen Moral.

Moderne Märchenautoren
Für viele sind "moderne Märchen" auch einfach Märchen von modernen Märchenautoren bzw. Märchen, die auf der einen Seite recht normal sind, sprich in denen es Prinz und Prinzessin mit Riesen, feuerspeienden Drachen und ähnlichem zu tun bekommen, die aber frisch und zeitgemäß erzählt sind. Beispiele hierfür wären "Der gestiefelte Kater" in der Version von Erich Kästner, "Die Geschichte von der Schüssel und dem Löffel" von Michael Ende, "In einem tiefen, dunklen Wald" von Paul Maar, die Radiomärchen von Rolf Gozell oder die Märchen und Märchenhörspiele von Christian Peitz, der auch das Buch Der Märchenprinz im Märchenwald hört einen Schuss, der gar nicht knallt geschrieben hat. Hier sind nun zwei Empfehlungslisten (AMAZON), einmal Moderne Märchen für Kinder und einmal Moderne Märchen für Erwachsene, wobei die für Kinder zum Großteil auch für Erwachsene geeignet sind.

Märchenparodien
Oft werden auch Märchenparodien als moderne Märchen verstanden. [Amazon-Liste]

Vom Autor als "Märchen" bezeichnete andere literarische Texte
Natürlich besitzt auch der Autor eine gewisse Definitionsgewalt. So trägt zum Beispiel das Buch "Die Abwesenheit" von Peter Handke den Untertitel "Ein Märchen", ohne dass sich zwangsläufig mitteilen muss, warum das da steht. Es liest sich eher wie ein Roman.

Weitere Möglichkeiten
Wahrscheinlich gibt es noch weitere Möglichkeiten, "moderne Märchen" zu definieren. Diese hier sind sicherlich recht verbreitet. Und letztlich entscheidet der Leser (oder Hörer), wenn er denn moderne Märchen lesen (oder hören) möchte, nach welchem Buch oder nach welcher CD er greift.

Was heißt eigentlich "modern"?
Sozial- und geisteswissenschaftlich gesehen ist die Moderne längst abgeschlossen, daher kann eigentlich von "modernen Märchen" sowieso keine Rede mehr sein. Vielleicht eher von postmodernen Märchen. Aber die Begriffe "Moderne" [Wiki] und "Postmoderne" [Wiki] werden in der Umgangssprache anders verstanden als in der Wissenschaft, und in der Wissenschaft sind auch nicht alle einer Meinung, also können wir getrost beim Begiff "Moderne Märchen" bleiben.

Zu Besuch beim gestiefelten Kater

-cp- Hier sieht man mich und den gestiefelten Kater. Ich habe ihn im Juli besucht, als ich auf der Deutschen Märchenstraße unterwegs war.

Zu Hause ist er, so behauptet man, in Oberweser-Oedelsheim. Allerdings waren da die Brüder Grimm anderer Meinung und haben ihn aus ihrem Märchenbuch verbannt. Schade eigentlich, denn das Märchen ist (finde ich) sehr schön. So schön sogar, dass Erich Kästner 1950 eine Bilderbuch-Version davon veröffentlicht hat. Und wer die gerne als Hörbuch hören möchte, dem kann geholfen werden, denn die Geschichte wurde wunderbar eingelesen von Hans Jürgen Schatz. [zu Hans Jürgen Schatz, zum Hörbuch]

Hintergrundinformationen zum Märchen "Der gestiefelte Kater" gibt es auf maerchenhelden.de.

Sonntag, 24. August 2008

Der gestiefelte Kater

Die Deutsche Märchenstraße führt unter anderem durch Oberweser-Oedelsheim, und dort, so heißt es, sei der gestiefelte Kater zu Hause. Eine große Holzfigur erinnert an ihn. Jedoch ist die Wahrheit eine andere, denn das Märchen "Der gestiefelte Kater" ist ein weit gereistes Märchen, und Oedelsheim, wenn man denn an Märchen glauben mag, ist nur eine Zwischenstation. Schon in Straparolas Sammlung von 1550/1553 (Italien) taucht das Märchen auf, allerdings trägt der Kater dort noch keine Stiefel. Ebenso gibt es das Märchen mit dem heldenhaften Kater (immer noch ohne Stiefel) bei Giambattista Basile (1634, ebenfalls Italien).

Erst der Franzose Charles Perrault fügte dem Märchen (Titel bei ihm: "Der Meisterkater") die Stiefel hinzu. In Deutschland wurde die Geschichte durch Ludwig Thiek bekannt, der es in Form eines Dreiakters veröffentlichte (1797). Die Brüder Grimm nahmen "Der gestiefelte Kater" in ihre Ursprungsausgabe von 1812 auf, entfernten es jedoch in späteren Auflagen wieder, weil es ihnen im Ursprung zu wenig deutsch war, was ein wenig verwundert, da auch Aschenputtel, Dornröschen und andere romanische Wurzeln haben. Ludwig Bechstein hatte da weniger Skrupel, er machte aus dem Märchen 1844 ein Bilderbuch und bezeichnete es sogar ausdrücklich als deutsches Märchen.

Heute gibt es unzählige Versionen des Märchens, die in den unterschiedlichsten Märchenbüchern auftauchen. In den Grimm-Büchern ist es meistens nicht enthalten. Die wohl schönste Version ist allerdings die von Erich Kästner, der sich inhaltlich sehr an der Fassung von Perrault orientierte und 1950 daraus gemeinsam mit dem Illustrator Walter Trier ein Bilderbuch machte, das die Geschichte in einer wunderbar klaren Sprache und mit subtilem Kästner-Sprachwitz erzählt.